Standpunkt des BDS Baden-Württemberg vom 8. Februar 2021
Erwartete Wirtschaftskrise – unerwartete Pandemie
Bereits Ende 2019 tauchten vermehrt Stimmen in der Presse und der Öffentlichkeit auf, die eine neuerliche Wirtschaftskrise prognostizierten. Nach zehn Jahren des Aufschwungs schien dies auch nicht unwahrscheinlich. Man malte sich verschiedene Szenarien aus, die hierzu führen könnten, nur eines nicht – eine Pandemie. Es ist mittlerweile ziemlich genau ein Jahr her, nachdem in Deutschland die ersten Fälle eines neuartigen Coronavirus aufgetaucht sind. Der zunächst aufgrund seines Namens belächelte und oft mit einem Bier verballhornte Erreger breitet sich innerhalb kurzer Zeit über den gesamten Erdball aus. Nachdem klar wurde, dass es bei der durch den Virus verursachten Krankheit Covid19 vermehrt auch zu schweren Verläufen mit Todesfolge kommen kann, machte sich große Unsicherheit breit. Die Verbreitungswege und weitere Risiken der neuen Krankheit konnten in dieser für alle neuen und undurchsichtigen Situation nicht gut eingeschätzt werden. Fahren auf Sicht lautete deshalb die Devise allenthalben.
Nach dem ersten Schock und dem Herunterfahren von Wirtschaft und dem gesellschaftlichen Leben wurde schnell klar, dass, obwohl es bereits seit vielen Jahren detaillierte Pandemie-Pläne in Deutschland gibt, das Land bei weitem nicht ausreichend auf eine solche Situation vorbereitet war. Nichtsdestotrotz zeigt sich, wie agil und schnell die Bevölkerung und auch die Unternehmen mit der neuen Situation umzugehen lernten. Die Lage war ernst, aber die Versäumnisse des Staates wurden zeitnah insbesondere durch massive Aktivitäten aus der Wirtschaft wettgemacht. Dies ging so weit, dass die Bundesregierung die Volkswagen AG mit ihren Erfahrungen im internationalen Einkauf dazu benutzen musste, Masken aus China zu beschaffen. Erste Defizite an diversen Stellen wurden sichtbar.
Deutschland ein Sommermärchen
Der Frühling kam früh und durch die steigenden Temperaturen konnten die Menschen wieder vermehrt ins Freie. Nach den tiefgreifenden Einschnitten sehnte sich jeder nach Abwechslung und Freiheit. Es schien, als seien die bis dahin aufgetretene wirtschaftliche und gesellschaftliche Verwerfungen ein Stück weit überwunden. Die viel beschworene Inzidenz, also die Anzahl der Fälle je 100.000 Einwohner pro Woche, sank republikweit unter 50. Es wurde wiederholt behauptet, dass die Gesundheitsämter bei dieser Fallzahl im Stande seien, die Ursachen der Ansteckung und die Infektionswege jederzeit nachzuvollziehen.
Soweit die Theorie. Als am Ende der Sommerzeit die Fallzahlen wieder angestiegen, wurde zunächst klar, dass diese Aussage nicht haltbar war. Über 70 % der Fälle konnten nach Schätzung von Experten eben nicht nachvollzogen werden. Was war geschehen? Wurde die Zeit der Entspannung nicht wie erwartet für großflächige Forschung in diesem Bereich genutzt? Wurde nicht versucht herauszufinden, an welchen Orten sich die Menschen anstecken und gezielt hierfür Gegenmaßnahmen und Strategien zu entwickeln? Offenbar nicht.
Was hätte eine Unternehmerin oder ein Unternehmer in einer Situation getan, in der das Geschäftsmodell massiv ins Wanken gerät? Jeder Vernünftige hätte wahrscheinlich versucht, möglichst umfassende Informationen zu erhalten, alternative Maßnahmen auszutesten und sich möglichst schnell neu auszurichten, um wieder erfolgreich zu sein und vor allem, um unter den neuen Bedingungen überleben zu können.
Weder wurde intensiv geforscht, noch wurde ein Plan erarbeitet, wie auf ansteigende Infektionszahlen im Herbst reagiert werden kann. Weder wurden die Schulen mit Volldampf auf digitalen Unterricht vorbereiten, noch wurde, wie sich mittlerweile herausgestellt hat, mit dem nötigen Erfolg an der Beschaffung von Impfstoff gearbeitet.
An dem Narrativ, dass man unter 50 Inzidenzen die Nachverfolgbarkeit sicherstellen kann wird indes weiter festgehalten, obwohl mittlerweile bewiesen ist, dass dies schlicht nicht stimmt. Insbesondere nicht, nachdem sich nach fast einem Jahr die deutschen Bundesländer in ihrer historischen Zerstrittenheit nicht einmal auf ein gemeinsames elektronisches System zur Nachverfolgung der Infektionen haben einigen können.
Handeln so Menschen, die den Begriff “Verantwortung” verinnerlicht haben? Würde ein Unternehmer in einer solchen Situation der Ungewissheit so handeln? – Sicher nicht.
Staatsversagen mit Ansage
Dass der Staat kein guter Krisenmanager ist, musste nun dem Letzten bewusst werden. Doch anstatt sich in Demut zu üben, die Versäumnisse einzugestehen und aus Fehlern zu lernen wurden die Restriktionen pauschal erhöht und Freiheitsrechte massiv beschnitten. Und dies nicht, wie zu erwarten gewesen wäre, zielgenau und abgewogen, sondern pauschal.
Wie in Welle eins der Pandemie muss der gute alte Lockdown als unintelligentestes Mittel der Wahl erneut herhalten. Die einhergehenden Kollateralschäden nahm und nimmt man dabei billigend in Kauf. Die noch um Besuchs- und Ausgangssperren bis hin zu begrenzten Bewegungsradien weiter verschärften Maßnahmen werden erneut und in guter Manier der Kanzlerin als “alternativlos” hingestellt. Die Verhandlungen um das Ringen nach der besten Lösung zwischen Kanzleramt und den Länderchefs werden hinter verschlossenen Türen geführt. Und obwohl das Parlament mehrfach zu einer weiteren Diskussion angeregt hat, dies sogar im Präsidium des Bundestages gefordert wurde, gab es intransparent entstandene Beschlüsse kredenzt, welche am Ende des Tages nicht einmal einheitlich umgesetzt wurden, sodass man sich mittlerweile in ein Deutschland der Kleinstaaterei von vor 1848 zurückgesetzt vorkommt.
Dabei zeigen andere, wie es geht. Thomas Nitzsche, Jenas Oberbürgermeister verordnete seinen Einwohnern beispielsweise bereits im April Masken, als die Verantwortlichen in Bund und Ländern noch behaupteten, dass diese nichts brächten. Auch andere Länder, wie Dänemark, verfolgen erfolgreich eine zielgerichtetere und differenzierte Strategie. Die Anzahl der Infektionen ist dort nicht größer als bei uns, obwohl die Einschränkungen für die Wirtschaft weit kleiner sind. Und auch in Deutschland gehen Kommunen wie Tübingen eigene und konventionelle Wege des Testens, finden aber – trotz ihres Erfolges – keine Beachtung.
Und während nur ein Bruchteil der zur Verfügung gestellten Förderungen für die Wirtschaft durch die Unternehmen abgerufen wurden, weil die Auflagen und Voraussetzungen weltfremd sind oder Unternehmen noch heute auf die November- und Dezemberhilfen warten, wird Steuergeld an anderer Stelle mit vollen Händen und zu Lasten kommender Generationen großzügig verschwendet. Großkonzerne mit nicht tragfähigen Geschäftskonzepten werden im Gegensatz hierzu schnell zu systemrelevanten Unternehmen hochstilisiert und mit Milliarden überschüttet. Beispielhaft für die falsche Steuerung der Mittel steht auch die mit mittlerweile 68 Millionen Euro teure Corona App, als ein möglicher intelligenter Lösungsansatz zur Pandemieeindämmung im 21. Jahrhundert. Von dieser spricht heute niemand mehr ernsthaft, weil uns der Datenschutz und die Argumente der Bedenkenträger wichtiger waren als die schnelle, effiziente und wirtschaftsschonende Eindämmung der Pandemie.
Hoffnung und Enttäuschung
Die zunächst mit großer Freude aufgenommenen Nachricht vom gefundenen Impfstoff verpuffte relativ schnell, nachdem klar wurde, dass die Beschaffung und Logistik durch die naturgemäßen Querelen des Föderalismus allenfalls dazu ausreichen, sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu einigen. Und so wurde in einer der größten Wirtschaftskrisen dieses Jahrhunderts, die uns allein in Deutschland, so Experten, mindestens 4 Mrd. Euro pro Woche im Lockdown kostet, kleinlich um Bestellmengen und Preise gefeilscht, derweil der entstehende Schaden um ein Vielfaches größer ist. Und natürlich gibt es in Ländern um uns herum immer noch negativere Beispiele. Aber ist es wirklich unser Anspruch, dass Deutschland beim Impfen mittlerweile durch das nicht durch organisatorische Großleistungen bekannte Serbien abgehängt wird?
Das Fatale an der Situation ist, dass es in unserem Lande immer noch genügend Menschen gibt, die wenig bis keine wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie spüren. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass nach wie vor ein großer Anteil unserer Bevölkerung nach mehr staatlichen Interventionen verlangt. Wenn man sein Geld jeden Monat sicher und pünktlich aufs private Konto überwiesen erhält, mag dies sogar verständlich sein. Dennoch stellen wir derzeit fest, dass die Interessen von Selbstständigen und Unternehmen nicht bis unzureichend Beachtung im Krisenmanagement der dafür verantwortlichen finden.
Im Gegenteil, die Übergriffigkeit des Staates nimmt vehement zu. So erhalten Arbeitgeber mittlerweile nicht nur vermeintlich gut gemeinte, sondern auch von Vorschriften unterlegte “Ratschläge”, dass sie ihre Mitarbeiter besser ins Home-Office schicken sollen. Man geht dabei geleitet von der Vorstellung aus, dass Arbeitgeber es wohl sonst nicht gut mit ihren Angestellten meinen und sie deshalb in leichtfertiger Weise erhöhten Risiken aussetzen. Jeder, der schon einmal Menschen geführt hat, egal ob als Angestellter oder Selbstständiger, weiß, dass dies die falsche Annahme ist.
Wer keine Entscheidung trifft, trifft auch eine Entscheidung – und die ist meistens schlecht
Die Ideen und die Mutlosigkeit der handelnden Personen lassen sich im besten Falle dadurch erklären, dass es guten Willen gibt, möglichst wenig Risiken einzugehen. Wer lebenserfahren ist weiß jedoch, das Leben immer ein Risiko beinhaltet. Der Staat, der alles richten soll und kann erweist sich gerade als Chimäre.
Nachdem nun sogar die sonst eher marketingstarke EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Fehler zugegeben hat, stellt sich doch nun die simple Frage, was konkret will man tun, um den Missständen möglichst schnell Abhilfe zu schaffen?
Wer aber immer das Gleiche tut, braucht sich am Ende nicht zu wundern, wenn das Gleiche herauskommt. Es gilt deshalb nach konkreten Beispielen schauen, wo etwas besser gemacht wird. Sei es ein bei einem ehemaligen Möbelhändler, der mittlerweile seine Stadt Rostock als Oberbürgermeister sehr erfolgreich durch die Pandemie führt oder seien es ganze Staaten, wie Israel, die es geschafft haben, binnen weniger Wochen einen großen Teil der Bevölkerung durch zu impfen, um das öffentliche Leben, möglichst zeitnah wieder hoch zu fahren.
Es muss hierzu Schluss damit sein, Kritiker und Gruppen, welche andere Meinungen vertreten, zu stigmatisieren und sie pauschal in Ecken zu stellen, in die sie nicht gehören. Klar ist, es gibt immer wieder Menschen, die krude Thesen vertreten oder an Verschwörungstheorien glauben. Klar ist aber auch, dass es in einer pluralistischen Gesellschaft möglich sein muss, öffentlich zu beraten und öffentlich zu verhandeln. Es muss Schluss sein, mit Runden hinter verschlossen Türen und Lösungsansätzen, die lediglich mehr vom Gleichen fordern.
Wir brauchen endlich pragmatische Ansätze sowie einen offenen Diskurs und sollten von den Besten Lernen.
Quo vadis freiheitliche Gesellschaft?
Was in diesem Zusammenhang bedenklich erscheint, ist die Veränderung in der Terminologie der politisch Verantwortlichen. Die Lockerung von Grundrechtseinschränkungen sind eben keine “neuen Freiheiten” wie die Kanzlerin sie nennt. Sie sollte es besser wissen als in der ehemaligen DDR aufgewachsene Person. Es sind eben keine Privilegien, sondern der Normalfall in einer Demokratie, welche uns nicht durch die Gnade der Regierenden zugesprochen werden. Die Diskussion hierüber nimmt mittlerweile Stilblüten an, die eher einem Glaubenskampf zu entsprechen scheinen als einer vernünftigen Diskussion. Nur als Hinweis, Solidarität kann man nicht verordnen, man kann sie maximal einfordern.
Ebenso sollten sich die politisch Verantwortlichen mit dem Einstieg in die Diskussion in Sonderrechte für Geimpfte nicht weiter flüchten, sondern sich ihrer Kernaufgabe widmen, die da heißt für ein schnelles Durchimpfen der Bevölkerung zu sorgen.
Konkrete Schritte aus der Krise sind nun gefragt. Für Wirtschaftstreibende ist es eine schiere Notwendigkeit zu wissen, welche Optionen angedacht sind und wann man ungefähr damit rechnen kann. Das heißt nicht, dass bei anderweitigen Entwicklungen des Pandemiegeschehens nicht auch Veränderungen durchgeführt werden können. Diese Agilität haben Unternehmen von je her -sie sind gewohnt, sich anzupassen. Aber ohne Verlässlichkeit und weitgehender Transparenz in den Rahmenbedingungen lässt sich kein Unternehmen führen.
Höchste Zeit zu handeln
Seit nunmehr einem Jahr schaffen es die politisch Verantwortlichen nicht, einigermaßen tragfähige Konzepte für einen Weg aus dieser kolossalen Krise aufzuzeigen. Wer will, dass die betroffenen Unternehmen ihren Steuerpflichten und sonstigen Regularien auch in Zukunft pünktlich und gewissenhaft nachkommen, muss aber dafür sorgen, dass die Verantwortlichen endlich Ihre Hausaufgaben zu machen – und das nicht nur effektiv, sondern auch effizient. Ohne Rast und ohne Denkverbote dafür aber mit Engagement und Transparenz und unter Einbeziehung der Betroffen. Wenn Frau Merkel im ARD-Interview Anfang Februar 2021 sagt, sie wüsste nicht, was falsch gemacht wurde, verspottet es geradezu die von dieser Politik Betroffenen. Es zeigt darüber hinaus deutlich die Hybris der politischen Eliten, die offenkundig jeden Kontakt zur Basis verloren haben. Derartige Aussagen in Verbindung mit einem so schlecht betriebenen Krisenmanagement sind nicht länger hinnehmbar.
Lassen Sie uns einmal ein wenig die Statistiken betrachten. Laut Statistischem Bundesamt gab es 2019 in Deutschland ca. 37,6 Mio. Erwerbstätige. Davon sind 3,4 Mio. Menschen Selbständige. Diese sind überproportional stark von der Pandemie betroffen, viele in Ihrer Existenz bedroht. Sie kommen aus unterschiedlichsten Branchen und vertreten unterschiedliche politische Ansichten und Lebensmodelle. Eines eint sie jedoch: die Ignoranz, mit der sie behandelt werden, während Großunternehmen im Fokus der Politik stehen.
Dies ist wenig verständlich, da Selbständige und Unternehmen unter 10 Mitarbeitern über 99% der Wirtschaftsleistung der Bundesrepublik Deutschland ausmachen und über 40% der Arbeitsplätze stellen. Scheinbar fehlt diesen Unternehmen und Selbständigen im Einzelnen jegliche Systemrelevanz.
Scheinbar fehlt diesen Unternehmen und Selbständigen die nötige Stimme in der Politik. Die Lücke jedoch, die es in unsere Gesellschaft reißen wird, wenn es diese Unternehmen und die Leistungen der Selbständigen nicht mehr gibt, wird riesengroß sein. Daher ist es nötig, dass auch auf die Bedürfnisse dieser Menschen gehört wird, so schwer es aufgrund der schieren Anzahl und unterschiedlichen Bedürfnisse auch ist.
Jan Dietz
Vorstandsmitglied im BDS Baden-Württemberg
Stuttgart, 06.02.2021
Als großer branchenübergreifender Wirtschaftsverband Baden-Württembergs vertritt er die Interessen seiner Mitglieder seit 1852
Standpunkt als PDF
Bund der Selbständigen Baden-Württemberg e.V.
Alle diese oben genannten Menschen brauchen einen starken Bund, der Ihre Interessen in Staat und Gesellschaft vertritt. Der Ihnen Sichtbarkeit verleiht und der Ihren wichtigen Platz in unserer Gesellschaft verdeutlicht. Der die freiheitliche Lebensform der Selbständigkeit hoch hält und Menschen dazu ermuntert, diesen Weg der Selbstbestimmung ebenfalls zu gehen – zu gründen, innovativ zu sein und die Welt positiv zu verändern.
Deshalb braucht es eine starke Stimme, die all diese Menschen vereint und ihre gemeinsamen Interessen bündelt.
Solche Menschen werden durch den Bund der Selbständigen vertreten und sie brauchen einen starken BDS.
Wir laden deshalb alle ein, die diese Grundwerte teilen, sich mit uns zu engagieren.