Schwindende Zustimmung zu Corona-Politik in der Wirtschaft

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Standpunkt des BDS Baden-Württemberg vom 6. November 2020

Auf Basis einer repräsentativen BDS-Mitglieder-Umfrage

Die Mitglieder des Bundes der Selbständigen Baden-Württemberg (BDS) bewerten die Arbeit der Politik zunehmend schlechter. Wurden hierfür im Ende März noch gute bis sehr gute Bewertungen vergeben, ist die Beurteilung der über 500 teilnehmenden Firmen mit der Schulnote vier (ausreichend) am bisherigen Tiefpunkt angelangt.

Kritisiert wird der durch den zweiten Lockdown wahrgenommene Aktionismus der Landes- und Bundespolitik, dem ein offenbar langfristiges Konzept mit einhergehender Rechtssicherheit fehlt. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich in der öffentlichen Diskussion und unter Experten die Stimmen mehren, dass die getroffenen Entscheidungen oft nicht geeignet sind, das Pandemiegeschehen wie gewünscht einzudämmen. Dies zeigt die Hilflosigkeit der Verantwortlichen. Jan Dietz, BDS-Landesvorstandsmitglied: „Gerade für kleine und mittelständische Unternehmen ist es nicht hinnehmbar, dass die Entspannung der Lage im Sommer nicht intensiv dazu genutzt wurde, detailliert zu untersuchen, in welchen Branchen erhöhtes Gefahrenpotential besteht und in welchen nicht.“ Würden Unternehmer und Selbständige so handeln, sähen sie sich Vorwürfen der groben Fahrlässigkeit und gegebenenfalls auch der Untreue ausgesetzt. Es stellt sich die Frage, wieso Politiker in Verantwortung hier anscheinend anders handeln als verantwortliche Unternehmer.

Insbesondere die fehlende Diskussion zu Alternativen des Lockdown kritisiert dabei nicht nur der Philosoph Julian Nida-Rümelin, auch der Bund der Selbständigen Baden-Württemberg fordert eine offene Diskussion ohne Denkverbote und endlich auch die Einbeziehung der Betroffenenverbände und der Parlamente.

In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu verstehen, dass die vielzitierte “Wirtschaft” eben aus Menschen besteht, die ganz persönlich unter den Vorgaben und Verordnungen leiden und die berechtigte Sorge oder gar Angst um ihre Zukunft haben. Viele der Restaurants, Hotels, Theater und Kulturschaffenden haben in den letzten Monaten massiv investiert, um nun festzustellen, dass diese Investitionen unnütz waren. Und auch wenn gerade der Eindruck erweckt werden soll, das seien verzichtbare Privatvergnügungen: Nein, auch das ist Wirtschaft!

53 % der befragten Unternehmer und Selbständigen können die wirtschaftliche Zukunft nicht absehen oder sehen Ihr Unternehmen gefährdet. Bei einer derartigen Planungsunsicherheit werden die Verantwortlichen weder Investitionen tätigen noch neue Stellen schaffen. Abgesehen davon leidet auch das soziale Engagement der Wirtschaftstreibenden in Zeiten, in denen jeder Vernünftige das Geld zusammenhält, massiv.

Der Politik fehlt hier derzeit ganz klar eine Vision von einer Zukunft mit dem Coronavirus. Bis ein wirksames Gegenmittel verlässlich vorhanden ist, benötigt die Wirtschaft ein Mindestmaß an Planungssicherheit. Bettina Schmauder, BDS-Vizepräsidentin: „Radikale Methoden wie der jetzige Lockdown light mögen zwar temporär zum gewünschten Ziel führen, sie hinterlassen jedoch erhebliche Kollateralschäden, die in die Gesamtbetrachtung derzeit nicht ausreichend einfließen.“ Auch die derzeitigen Hilfsprogramme, die genau diese Schäden minimieren sollen, basieren auf der falschen Annahme, Wirtschaft lasse sich mit Geld quasi an- und ausschalten. Dem ist nicht so! Liefer- und Leistungsketten, die einmal zerstört sind, lassen sich nicht beliebig und schon gar nicht kurzfristig wiederherstellen.

Auch die Überbrückungshilfen verfehlen ihr Ziel oft massiv. So wurden seit dem Start des Förderprogramms im Juli von den 25 Milliarden Euro Fördermitteln lediglich 950 Millionen Euro ausgezahlt. Die Politik feiert dies als Beleg dafür, dass die Wirtschaft besser dasteht als erwartet und die Mittel nicht notwendig wären. Tatsache ist jedoch, dass die von ministerialem Denken geprägten Kriterien oft abseits jeder Realitätstauglichkeit festgelegt wurden. Auch hindert viele Betroffene schlicht die Angst davor, etwas falsch zu machen, vor der Inanspruchnahme der ihnen zustehenden Mittel.

Kleine und mittlere Unternehmen, für die der BDS steht, stellen in Baden-Württemberg 2,3 Millionen Arbeitsplätze und erwirtschaften ein Jahresumsatz von 450 Milliarden Euro. Nicolai Lauble, BDS-Geschäftsführer: „Wenn nur zehn Prozent der Betriebe schließen, die sich derzeit als gefährdet betrachten hieße das, dass ca. 115.000 Menschen in Baden-Württemberg arbeitslos würden. Das wäre ein Anstieg der Arbeitslosen um fast 40%.“ Auch diese Menschen werden dann ihr Konsumverhalten nach unten schrauben und damit weiteren wirtschaftlichen und vor allem auch gesellschaftlichen Schaden anrichten. Die Langzeitfolgen sind nicht abzusehen. Insbesondere wird sich dies wieder auf die stakt betroffenen Bereichen Gastronomie, Kultur und Touristik auswirken. An Ausgaben hierfür wird erfahrungsgemäß zuerst gespart.

Der Bund der Selbständigen fordert deshalb die handelnden Politiker in Baden-Württemberg und dem Bund auf, endlich einen zahlenbasierten und offenen Diskurs über die besten Möglichkeiten des Handelns zuzulassen und unaufgeregt, mutig und pragmatisch Lösungen für die Überwindung der Krise auszuarbeiten.

Weitere Informationen:

Die genauen Umfrageergebnisse als PDF

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