offener Breif

Die zwei Präsidenten des BDS Baden-Württemberg, Bettina Schmauder und Jan Dietz, haben sich in einem Schreiben an Ministerpräsident Winfried Kretschmann gewandt. Mit diesem offenen Brief vom 19. März 2021 fordert der BDS-Landesverband eine langfristige, faire und nachhaltige Öffnungsperspektive für Unternehmen. Gerne möchte die BDS-Präsidenten-Doppelspitze in einem persönlichen Gespräch mit dem baden-württembergischen Landesvater gemeinsam Perspektiven für Selbständige schaffen.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

vor gut einem Jahr wurde der erste Lockdown in Baden-Württemberg und Deutschland beschlossen. Seitdem hat sich unser aller Leben grundlegend geändert. Auch der Fokus der Politik, gleich ob im Bund oder Land, liegt auf der Bekämpfung der Pandemie.  Wir als Bund der Selbständigen Baden-Württemberg e.V. beraten, informieren und unterstützen unsere Mitglieder seit Beginn der Corona-Krise. Wir sind eng verbunden mit kleinen und mittelständischen Betrieben nehmen die Funktion als Multiplikator ein und sehen uns aber auch als deren Sprachrohr gegenüber der Politik und Gesellschaft. Wir fragen nach der aktuellen Stimmung und Meinung unserer Mitglieder und formulieren daraus Forderungen und Lösungskonzepte. Im Verlauf der Corona-Pandemie wurde relativ schnell deutlich, dass eine langfristige und nachhaltige Strategie für alle Lebensbereiche – Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur – essenziell notwendig ist.

Anfang März nun einigte sich die Ministerpräsidentenkonferenz nach zuletzt 12 Wochen Lockdown auf eine Öffnungsstrategie. Einer differenzierten Strategie, die auf mehrere Säulen setzt. Hohe Hygienestandards in den Betrieben, Impfen, eine neue Teststrategie und die Nutzung einer verbesserten digitalen Nachverfolgung heißt das neue Quartett, das nicht nur den Menschen in Deutschland eine Perspektive aus den Beschränkungen geben soll. Vielmehr ist sie für die betroffenen Betriebe, darunter viele kleine und Kleinstbetriebe, lebensnotwendig. Wir dürfen Ihnen versichern, dass wir in den letzten Wochen vor allem in den Einzelhandelsgeschäften und in Betrieben der Körperpflege eine Aufbruchsstimmung und große Betriebsamkeit wahrgenommen haben. Der Optimismus war zurück. Und diesen Optimismus brauchen wir so dringend.

Noch bevor jedoch alle Branchen überhaupt an eine Öffnung denken konnten, droht die Öffnungsperspektive in weiten Teilen Baden-Württembergs direkt in den nächsten Lockdown zu enden. Wie wackelig dieses Stufenpapier ist, zeigen die letzten Tage und wir kommen nicht umhin uns fragen zu müssen, ob einzelne Branchen nun endgültig zu den großen Verlierern der Pandemie abgestempelt werden.

Die Unternehmen sind ihrer Verantwortung nachgekommen, aber was ist mit den anderen drei Säulen, die in der Verantwortung der öffentlichen Hand liegen?

Das Impfen stockt nach wie vor, nicht nur wegen Lieferengpässen, sondern vielerorts auch wegen organisatorischen Mängeln und Kompetenzschwierigkeiten. Der Einsatz von neuen digitalen Hilfsmitteln wie z.B. der Luca-App scheitert vielerorts kläglich, weil viele Gesundheitsämter das System nicht unterstützen. Eine neue – flächendeckende und breit angelegte – Teststrategie unterstützen wir voll, sie ist aber gleichzeitig ein Treiber der Inzidenzwerte. Das kann und darf den Unternehmen doch nicht zu ihrem Nachteil ausgelegt werden!

Spätestens jetzt müssen wir den Stimmen folgen, die fordern, weitere Kennzahlen wie etwa die Impfquote und die Auslastung der Krankenhausinfrastruktur mit einzubeziehen. Zudem ist es bis heute nicht klar wer die Treiber des Infektionsgeschehens waren und vor allem aktuell sind. Doch genau diese Informationen sind von entscheidender Bedeutung, um eine langfristige und nachhaltige Strategie zu entwickeln Wir fordern daher klare und deutliche Informationen wer und wo die Infektionstreiber sind.

Auch bei den Hilfen und finanziellen Unterstützungen für Unternehmen erkennen wir, als Vertreter von Selbständigen und Kleinunternehmern, nur geringe Lerneffekte in der Politik. Jetzt, nach der erneuten Schließung vieler Unternehmen müssen die Kriterien für die Hilfen schnell angepasst werden und vor allem muss der bürokratische Aufwand verringert werden. Warum werden die Hilfen nicht über die Finanzämter ausgezahlt, obwohl diese es schneller, effizienter und vor allem sicherer könnten als bisher? Es kann und darf nicht sein, dass die Mehrheit der redlichen Unternehmer unter den wenigen Betrügern leiden!

Wir fordern Sie daher auf, geben Sie gerade den betroffenen Unternehmen in Baden-Württemberg eine langfristige, faire und vor allem nachhaltige Öffnungsperspektive. Nehmen Sie weitere Kennzahlen auf, die das Pandemiegeschehen realistisch abbilden und weichen Sie vom reinen Fokus auf die Inzidenzwerte beim Stufenplan ab. Setzen Sie sich dafür ein, dass die Gesundheits- und Landratsämter vor Ort umgehend digitalisiert werden und wir so genaue Zahlen und Fakten über das Infektionsgeschehen haben. Nutzen Sie Ihr politisches Gewicht im Bund, um die aktuellen Hilfen und deren Auszahlung anzupassen.

Sehr geehrter Herr Kretschmann, vielen kleine und mittelständischen Unternehmen geht die Luft zum Atmen aus. Wir bitten Sie und fordern Sie auf, lassen Sie uns endlich eine gemeinsame Perspektive für die Unternehmen und Selbständigen in Baden-Württemberg schaffen.

Über eine Rückmeldung und oder ein Gespräch mit Ihnen freuen wir uns sehr.

Mit freundlichen Grüßen
Präsidentin Bettina Schmauder und Präsident Jan Dietz

Vorheriger ArtikelUmwelttechnikpreis 2021
Nächster ArtikelUnternehmensverantwortung und Nachhaltigkeit im Wandel